Am Ende der Bucket List

Wir kennen sie doch alle, diese Bucket List. Listen, mit Punkten, die man im Leben unbedingt erreicht bzw. gesehen haben sollte. Bestimmte Orte, die man im Leben gesehen haben sollte. Listen mit Unternehmungen, die man machen sollte, bevor man 30, 40, 50 Jahre alt wird. Listen, die es in unzähligen Varianten gibt.

Vielleicht haben wir selbst eine solche Bucket List. Die einen haben sie im Kopf, die anderen haben sie in ihrem Bullet Journal notiert. Wieder andere haben sie auf ein loses Blatt Papier geschrieben. Mancher hat sie auf seinem Laptop oder Handy gespeichert. Oder man hat sie auf seinem Blog veröffentlicht.

Vor ein paar Wochen habe ich genau so eine Bucket List auf einem Blog gelesen. Es ging um Reiseziele. Orte, die die Person sehen wollte. Und wie die Bucket Lists meistens sind, war auch diese recht lang. Aber der Blogeintrag hat mich auch zum Nachdenken bewegt und letztendlich zu diesem Beitrag motiviert.

Was passiert, wenn die Bucket List abgearbeitet ist?

Ist es den möglich, die Bucket List abzuarbeiten? Sind die Punkte darauf realistisch? Kann man die Punkte auf der Liste überhaupt umsetzen? Ist dies eine Liste, die stetig wächst, oder ist sie final? Aber die wichtigste Frage ist doch: Was passiert eigentlich, wenn die Bucket List abgearbeitet ist?

Ich selber hatte auch diese Bucket List. Meine Punkte klangen nach Abenteuer, etwas erleben und sich selbst verwirklichen. Die Liste sah so aus:

  • Eine Weltreise machen
  • Bungy Jumping
  • Paragliding
  • Mit Delfinen schwimmen
  • Im Ausland wohnen
  • Studieren gehen
  • Pinguine in freier Wildbahn sehen
  • Hotel Little Polynesian auf Cook Island besuchen
  • Ein Leben verändern

Sie klingt, wie vermutlich die meisten Bucket Lists auf dem ersten Blick utopisch, aber doch auch machbar. Und ich kann dir sagen, ich war noch keine 23 Jahre alt, als ich diese Liste abgearbeitet hatte.

Häkchen für Häkchen

Frisch von der Schule ging es für mich in die USA als Au Pair, auch wenn diese Erfahrung nicht so war, wie ich es mir vorgestellt habe, habe ich doch im Ausland gewohnt. Im Anschluss habe ich studiert, nicht irgendetwas, sondern mit OnlineMedien genau meinen Wunschstudiengang.

Ich bin für ein Auslandssemester nach Neuseeland, habe auch dort somit wieder im Ausland gewohnt. War Bungy Jumpen und habe dabei meine Ängste überwunden, so dass ich paragliden konnte. War mit Delfinen schwimmen, nicht mit irgendwelchen, sondern mit den kleinsten und seltensten Delfinen in einer Bucht von Banks Peninsula. Ich habe die kleinsten Pinguine (Zwergpinguine), die im Englischen liebevoll “little blue penguins” genannt werden, wie auch die Gelbaugenpinguinen gesehen. Einfach so, wie sie gerade aus dem Meer an die Küste kamen. Oder am Straßenrand standen.

Von Neuseeland aus bin ich nach Cook Island im Südpazifik geflogen und habe das Hotel Little Polynesian besucht. Und auf dem Weg von Neuseeland und wieder zurück nach Deutschland, bin ich einmal um die Welt geflogen mit Zwischenstopps in Tokio, Fidschis und den USA. Etwas, was man auch nicht alle Tage macht.

Und damit wurden die offenen Punkte der Bucket List Punkt für Punkt abgearbeitet. Bis nur noch ein Punkt übrig blieb – “Ein Leben verändern”.

Das Ende der Bucket List

Der letzte Punkt wirft Fragen auf: Wie verändert man ein Leben? Und welches Leben soll man verändert?

Es hat eine Weile gedauert, aber irgendwann habe ich es gesehen. Durch das Abarbeiten meiner Bucket List, durch die Erfahrungen und Erlebnisse, die sich hinter jedem einzelnen Punkt verbergen, habe ich ein Leben verändert – ich hab mein Leben verändert. Aus einem extrem introvertierten Mädchen wurde eine Frau, die weiß, was sie will, die weiß, woher ihre Stärke kommt und die sich nicht mehr verstecken muss.

Bild einer fertig abgearbeiteten Bucket List
Meine alte Bucket List

Damit war der letzte Punkt auf der Liste abgehakt und eine Frage blieb offen: “Was passiert eigentlich, wenn die Bucket List abgearbeitet ist?”

Nach der Bucket List

Ich kann mich genau an diesem Moment erinnern. Ich war in Taupo – wieder einmal (ihr seht, mit dieser Stadt verbinde ich so einiges). Und ich hatte diesen einen Moment auf dem Rückweg der Huka Falls, mit Blick auf Taupo und den See und meinte einfach so, aus einer Laune heraus:

“Jetzt kann ich sterben, jetzt habe ich alles erreicht, was ich erreichen wollte.”

Meine Mitreisenden waren schockiert. Verständlich. Sie haben mich in diesem Moment nicht verstanden. Mir ging es nicht darum, dass ich wirklich sterben wollte, mir ging es darum, dass ich meine Bucket List abgearbeitet habe. Ich habe alles erreicht, was ich in meinem Leben erreichen wollte. Mein Leben war erfüllt.

Lektionen aus meiner Bucket List

Die wichtigste Lektion aus meiner Bucket List ist mir erst in den letzten Tagen bewusst geworden. Ich habe das Buch “The Big Five for Life: Was wirklich zählt im Leben” von John Strelecky gelesen. Im Buch gibt es ein Zitat, dass mich meinen Satz damals in Neuseeland erst wirklich verstehen lassen hat.

“Man sollte das Ende stets zuerst schreiben, Mark. Immer. Man sollte damit anfangen zu leben und sein Leben so gestalten, dass man eines Tages – hoffentlich bald – aufwacht und tief in seinem Inneren spürt, dass es für einen selbst in Ordnung wäre, wenn man an diesem Tag sterben würde. Nicht etwa, weil man sterben wollte, sondern weil man einen Punkt erreicht hätte, an dem man ohne Bedauern sterben könnte.”

aus „The Big Five for Life: Was wirklich zählt im Leben“ von John Strelecky

Ich habe meine Bucket List abgearbeitet und kann nun weitermachen. Natürlich gibt es noch Dinge, die ich anschauen oder erleben will. Aber ich muss diese nicht mehr auf eine lange Liste setzen. Ich kann sie direkt umsetzen. Ich muss nicht warten, bis dieser Punkt als einer von vielen an der Reihe ist.

Meine Großtante sagte immer “so alt wie ich musst du erst einmal werden.” Der Satz klingt banal, letztendlich gibt sie einem damit aber eine der wichtigsten Lektionen des Lebens mit: Es ist nicht sicher, ob wir wirklich so alt werden. Wir wissen nicht, ob wir die Bucket List jemals abarbeiten können, wenn wir sie verschieben. Bis zum Sommer, bis wir 30 sind, bis wir 40 sind, bis zur Rente, bis irgendwann.

Eine Bucket List hilft einem, aufzulisten, was man im Leben erreichen will. Man setzt sich hin und setzt sich seine Ziele. Aber eine Bucket List ist auch eine Liste von Punkten, die wir meistens nicht umsetzen, die wir auf später oder irgendwann verschieben, bis irgendwann zu spät ist.

Das Wichtigste einer Bucket List ist nicht das Aufschreiben der einzelnen Punkte, sondern es ist das Umsetzen dieser Punkte. Und genau daran scheitern die meisten Bucket Lists.

Mein Tipp für dich

Bevor ich nach Neuseeland bin, hat mir eine Bekannte einen Brief geschickt, dass sie es bewundert, wie ich meine Träume verwirkliche. Ich hatte ihr geantwortet und meinte “ich hab nicht meine Träume verwirklicht, ich habe meine Pläne umgesetzt.” Sie hat jahrelang nicht mehr mit mir gesprochen, weil ihr die Antwort nicht gepasst hat, weil sie die Antwort als beleidigend verstanden hat. Doch irgendwann kam sie und meinte nur “Jetzt habe ich verstanden, was du gemeint hast, du hattest recht.”

Fange an, die Dinge, die dir wichtig sind, umzusetzen. Schreibe sie nicht auf eine Liste, die du wieder vergisst. Lebe im Jetzt und sorge dafür, dass dein Leben jeden Tag erfüllt ist, denn letztendlich hast du es selbst in der Hand, wie du dein Leben lebst.

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