Dieser eine Weg

Hinter meinem Wohnblock fangen die Felder an, oft lauf ich dort entlang. Sonntagvormittags ist es schon fast Tradition, denn mitten in den Feldern verbirgt sich ein Hofladen, der in der Beerensaison leckere Beeren auch am Sonntag Vormittag verkauft. Direkt von den Feldern, die man auf den Weg dorthin durchquert. Frischer geht es kaum.

Ich hab in all der Zeit ein paar feste Strecken für mich gefunden. Je nach geplanter Zeit. Immer die gleichen Wege. Immer wieder sehen diese Strecken anders aus. Mal wird Mais, mal Getreide angebaut. Irgendwo sind Spargelfelder und dann gibt es noch die Erdbeer- und Kartoffelfelder. Immer wieder wächst etwas anderes. Vereinzelt gibt es auch ein Zwiebelfeld. Und da die Felder langsam zu Biofelder werden, wachsen auch immer mehr wilde Blumen dort.

Und so kam es, dass ich vor ein paar Wochen beim Laufen der großen Runde mich, aus einem Impuls heraus, entschieden habe, dass ich dieses Mal einfach links abbiege und nicht gerade ausgehe wie sonst. Keine Ahnung wo der Weg hinführt, aber dieses Mal geht es für mich den Weg links entlang.

Und auf einmal war alles anders. Da war dieser neue Weg. Er sah aus wie die anderen auch. Links ein Maisfeld und rechts ein Getreidefeld. Nichts Besonderes und doch war es anders.

Und während ich diesen Weg entlanglaufe, merke ich, wie sich etwas verändert. Da ist ein Gefühl voller Leichtigkeit, voller Hoffnung, voller Liebe, voller Fülle, voller Freiheit, voller Leben. Alles ist da. Alles was ich mir erträume und noch viel mehr, ist einfach da. Ich muss mich nicht einschränken, ich kann alles haben.

Mein Gang wird aufrechter, powervoller, selbstbewusster. Schritt für Schritt gehe ich diesen Weg. Ich weiß nicht, wohin er führt, aber irgendwo werde ich schon rauskommen. Ich kann bereits auf den ersten Metern das Ende des Weges sehen, aber es kommen mir Menschen entgegen, also wird es schon keine Sackgasse sein sondern irgendwie weitergehen. Vielleicht eine Kreuzung, vielleicht eine Abzweigung.

Aus dem Getreidefeld wird ein Feld mit wildwachsendem Gras und meine Gedanken fangen an zu wandern. Was fehlt mir, um dieses Gefühl, diese Erfahrung auch in anderen Situationen zu bekommen? Was ist das überhaupt für ein Gefühl? Woher kommt es? Und warum genau jetzt auf diesen Weg? Was kann ich aus dieser Erfahrung für mich mitnehmen?

Das Maisfeld wechselt ins nächste Maisfeld, aus dem wildwachsendem Gras wird wieder ein Getreidefeld. Am Ende des Feldes erkenne ich einen einzelnen Baum mit einer Bank darunter. Der Baum strahlt eine Stärke, eine Lebenskraft aus. Kein weiterer Baum ist auf diesem Weg zu sehen. Je näher ich dem Baum komme, desto deutlicher zeigt sich, dass es sich um eine Kreuzung am Baum handelt. Ich überlege kurz, abzubiegen und langsam zurück Richtung bekannte Wege zu gehen. Und dennoch zieht mich das Wegende weiterhin an. Ich bleibe auf meinem Weg.

Baum am Wegesrand
Ein Baum am Wegesrand

Ich versinke zurück in Gedanken. Denke darüber nach, was sich in den letzten Wochen alles für mich verändert hat. Irgendwie mach ich gerade ein Update durch. Mein Mindset verändert sich. Meine Träume verändern sich. Meine Vision wird klarer. Aber auch meine Taten verändern sich. Ich spreche öfters meine Wahrheit. Ich ernähre mich anders. Ja, ich höre plötzlich ganz andere Musik. Ich verändere mich zu einer neuen Version von mir.

Ein weiterer Feldweg geht vom Weg ab. Ich nehme ihn zur Kenntnis, sehe aber auch die unglaubliche Weite und Aussicht am Ende von diesem Weg. Ich müsste jetzt etwa auf der Hälfte des Weges angekommen sein. Und ich laufe den Weg weiter. Möchte mehr von diesem Weg sehen. Möchte mehr in dieser Erfahrung entdecken.

Und irgendwann wird es mir klar. Das ist kein normaler Weg durch die Felder. Dieser Weg hat etwas magisches. Er lässt mich in meine bestmögliche Version eintauchen. Ich bin auf einmal meine bestmögliche Version. Diese Transformation, die ich gerade durchmache, ist aus irgendwelchen Gründen auf diesem Weg schon abgeschlossen. Ich bin die Version von mir geworden, die noch nicht meine Normalität ist. Aber ich bin verliebt in diese Version. Ich bin einfach nur verliebt in diese Version von mir. Und irgendwie begreife ich, dass es keine Option mehr ist, nicht alles dafür zu tun, um genau diese Version von mir zu werden.

Ich bin so bereit, diese Transformation durchzumachen, durch die Höhen und Tiefen zu gehen. Zu wachsen, zu verzweifeln, zu heilen, zu weinen und zu lachen. ‚Wie würde diese Version nun handeln?‘ ist ein neuer Leitsatz von mir geworden. Welche Menschen hat diese Version um sich? Wie isst sie? Wie bewegt sie sich? Wie kleidet sie sich? Was macht sie gerne? Was hat sie losgelassen? Ich versuche so viel wie möglich über diese Version zu lernen und zu meiner Normalität zu machen.

Und dann bin ich am Ende des Weges angekommen. Ich bleibe stehen, schließe meine Augen, atme ein, atme aus. Öffne die Augen und blicke in die unglaublich schöne weite Landschaft vor mir.

Und ich weiß, das war nicht meine bestmögliche Version. Das steckt alles bereits in mir. Ich bin mir selbst begegnet und habe meine Wahrheit, meine Normalität gesehen. Das bin ich. Und alles in mir bebt, dass ich ich sein kann.

Der Weg macht eine Kurve nach rechts.

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